Was ist eigentlich Osteopathie?
Osteopathie ist eine eigenständige und ganzheitliche Form der Medizin. Da sie unter die Heilkunde fällt, darf sie in Deutschland nur von Ärzten oder Heilpraktikern ausgeübt werden. Sie ist in den Bereich der Komplementärmedizin einzuordnen, da die osteopathische Behandlung ergänzend zu schulmedizinischen Verfahren angewendet werden kann.
Der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still gilt als Begründer der Osteopathie als eigenständige Form der Medizin. Innerhalb der letzten 140 Jahre wurde sie stetig weiterentwickelt und von Amerika über Großbritannien auch in Europa bekannt.
Ausführliche Anamnesegespräche, sowie Untersuchungen und Behandlungen mit den Händen sind essenzielle Bestandteile der Osteopathie. Der Mensch soll als „Ganzes“ wahrgenommen und körpereigene Mechanismen zur Selbstregulation und Selbstheilung gefördert werden. Dazu nutzt der Osteopath seine Fähigkeit, Dysfunktionen zu identifizieren und zu behandeln, auch wenn diese entfernt von den Beschwerderegionen lokalisiert sind oder unspezifische Symptome aufweisen.
Individuell angepasst an jeden Menschen kann die Osteopathie begleitend zur schulmedizinischen Behandlung, interdisziplinär mit anderen medizinischen Fachbereichen oder auch als einzige Therapieform Anwendung finden. Dysfunktionen im Körper können mit Funktionsstörungen auf unterschiedlichen Ebenen einhergehen. Dabei kann es sich um körperliche oder auch seelische Reaktionen auf Erkrankungen, Traumata und Fehlregulationen handeln. Diese Stressfaktoren führen zu Gewebespannungen und körperlichen Veränderungen. Der Osteopath identifiziert diese Dysfunktionen, beeinflusst sie positiv und unterstützt somit den Körper der Patientin bzw. des Patienten in seiner Selbstregulation und -heilung. Da die Osteopathie nicht nur lokal und defizitorientiert, sondern vielmehr „ganzheitlich und ressourcenorientiert“ unterstützen kann, nimmt sie eine bedeutsame Stellung in der Gesundheitsfürsorge ein.
Die Wissenschaft der Osteopathie beruht unter anderem auf dem
dreidimensionale Fasziengerüst, welches zur Verbindung verschiedener Strukturen im Körper dient. Gewebespannungen existieren selten lokal in einem abgegrenzten Bereich. Vielmehr haben Dysfunktionen und Blockaden Auswirkungen auf den gesamten Körper.
ARTE Dokumentation
Definition der WHO
Eine Definition hat die Weltgesundheitsorganisation, World Health Organisation (WHO), in ihrem Bericht „Benchmarks for Training in Osteopathy“ aus 2010 formuliert:
"Osteopathie bietet ein breites Spektrum an Herangehensweisen zur Gesunderhaltung und dem Umgang mit Krankheiten an. Die folgenden Prinzipien zur Behandlung von Patienten bilden die Grundlagen der Osteopathie:
- Der Mensch ist eine dynamische funktionelle Einheit, dessen Wohlbefinden durch Körper, Geist und Seele beeinflusst wird.
- Der Organismus besitzt selbstregulierende Mechanismen und die natürliche Fähigkeit zur Selbstheilung.
- Struktur und Funktion bedingen sich auf allen Ebenen des Körpers gegenseitig.
Wendet der Osteopath diese Prinzipien zur Behandlung von Patienten an, so greift er im Rahmen dieses Konzepts auf den aktuellen Stand von Medizin und Forschung zurück. Praktizierende Osteopathen verstehen klinische Zeichen und Symptome von Patienten als Folgen der Interaktion zahlreicher physischer und nicht physischer Faktoren. Osteopathie berücksichtigt besonders die dynamische Wechselbeziehung dieser Faktoren und die Bedeutung der Patienten-Therapeuten-Beziehung für den therapeutischen Prozess. Sie ist keine krankheitszentrierte, sondern eine patientenzentrierte Form der Gesundheitsfürsorge. Strukturelle Diagnose und manuelle Behandlung sind wesentliche Bestandteile der Osteopathie. Die osteopathische Behandlung wurde als Mittel entwickelt um die physiologischen selbstregulierenden und selbstheilenden Mechanismen im Körper zu unterstützen."
Aus dem Englischen übersetzt
Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO aus: Benchmarks for Training in Osteopathy, 2010.
Siehe hierzu: https://www.who.int/publications/i/item/9789241599665
Definition der OIA
Eine weitere Definition hat der Weltdachverband für Osteopathie, Osteopathic International Alliance (OIA) in seinem Bericht „Osteopathy and Osteopathic Medicine“ aus 2014 formuliert:
„Osteopathische Gesundheitsfürsorge bietet ein System zur Einschätzung, Diagnose und Behandlung zahlreicher medizinischer Gegebenheiten an. Sie basiert auf dem Prinzip, dass Struktur und Funktion des Organismus eng miteinander verbunden sind und dass das Wohlbefinden eines Menschen von dem harmonischen Zusammenwirken seiner neurologischen, muskuloskelettalen, kardiovaskulären und viszeralen Strukturen abhängt.
In der Anwendung zielt die Osteopathie darauf, das allgemeine und natürliche Wohlbefinden des Organismus wiederherzustellen [und zu erhalten].
Deshalb untersuchen und behandeln Osteopathen den gesamten Menschen, statt sich auf spezifische Symptome oder Erkrankungen zu konzentrieren. Patienten, die sich mit Beschwerden beim Osteopathen vorstellen, werden deshalb umfassend strukturell wie funktionell untersucht, gemäß der osteopathischen Sichtweise, wonach die primäre Ursache einer Beschwerde weit von deren Symptome liegen kann. Dieses Verständnis des Körpers als eine untrennbare Einheit führt dazu, dass osteopathische Gesundheitsfürsorge bei Prävention, Diagnose und Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen oft als personenzentriert statt krankheitszentriert beschrieben wird [...].
Wesentlich für die osteopathische Herangehensweise ist die Bandbreite an praktischen manuellen Techniken zur Untersuchung, Diagnose und Behandlung. Diese Techniken ermöglichen es dem Therapeuten bestimmte Gesundheitszustände zu erkennen und zu behandeln [...].
Bei der Anwendung osteopathischer Prinzipien in der Patientenversorgung berücksichtigt die osteopathische Herangehensweise den aktuellen Wissensstand in Medizin und Forschung. Wissenschaftlichen Abhandlungen sowie Evidenz informierten Ergebnissen kommt daher ein hoher Stellenwert in der Behandlung von Patienten wie auch im Case Management zu.
Osteopathie ist vor allem für die Behandlung muskuloskelettaler Beschwerden wie Rücken- und Nackenschmerzen, Ischiasschmerzen, Sportverletzungen und Haltungsbeschwerden bekannt. Sie wird auch eingesetzt, um bei der Behandlung funktioneller Probleme zu helfen wie Atembeschwerden, Mittelohrentzündung, Verdauungsprobleme und Menstruationsbeschwerden.
Da Osteopathie zur medizinischen Grundversorgung zählt, sind sich Osteopathen ihrer Verantwortung bewusst, Patienten zu diagnostizieren und zu überweisen, wenn deren Zustand eine therapeutische Intervention erfordert, die außerhalb der Kompetenz des Osteopathen liegt.“
Aus dem Englischen übersetzt.
Osteopathic International Alliance OIA: Osteopathy and Osteopathic Medicine, 2014.